Coaching, Existenzgründung, Gesellschaft

Ist Gründercoaching überhaupt Coaching?

Coaching kennzeichnet sich als Beratung ohne Ratschlag. Der Coachingnehmer wird dabei unterstützt, seine eigenen und höchstpersönlichen Lösungen zu finden. Das ist hilfreich und wirksam, wenn es um Anliegen geht, die in komplexer Weise in der Persönlichkeit verankert sind. Wenn es um vielschichtige Probleme geht, etwa der Selbstführung, des Konfliktverhaltens, des Selbstmanagements oder des souveränen Umgangs mit Mitarbeitern und Kunden, dann ermöglicht Coaching als non-direktiver Ansatz auf Augenhöhe sehr nachhaltige Quantensprünge des persönlichen Lernens.

Im Kontext von Gründercoaching und von Unternehmercoaching brauchen die Unternehmer aber auch handfestes Businesswissen um ihre unternehmerische Kompetenz auf- und auszubauen.

Seit Edgar Schein* den Begriff der Prozessberatung geprägt hat, gibt es unter Fachleuten eine vehemente Diskussion, was denn nun richtiger und wirkungsvoller ist: Die Prozessberatung, die sich auf das Wie der Problemlösung konzentriert, also keine Lösungen vorgibt, sondern dem Kunden hilft, die eigene Lösung zu finden und die Problemlösekompetenz (Know-How) zu erhöhen. Oder die Expertenberatung, die eine Antwort auf das Was gibt und fertige Lösungen (Know-What) für bestimmte Probleme liefert.

Es liegt auf der Hand, dass beide Ansätze ihre Berechtigung haben. Wenn der Existenzgründer seine erste Website einrichten will, ist es wenig sinnvoll, ihn (oder sie) damit zu plagen, seine persönlichkeitsstimmige Programmiersprache zu entwickeln. Wenn es allerdings darum geht, Ängste vor neuen, ungewohnten Aufgaben abzubauen – etwa Akquisegespräche mit neuen Kunden zu führen oder besser damit zu recht zu kommen auch nach Rückschlagen Selbstmotivation und Selbstwert aufrecht zu erhalten, dann helfen Patentrezepte schon weniger.

Mit den unterschiedlichen Beratungsansätzen verändert sich aber auch die Beratungsbeziehung. In der non-direktiven Prozessberatung wird auf gleicher Augenhöhe gearbeitet, der Berater nimmt eine Position des Nichtwissens bezüglich der richtigen Lösung ein und interveniert mit strukturierten Problemlösetools. Dies fördert wiederum die Selbstwirksamkeitserwartung, die wiederum ein ganz wesentlicher Schlüssel zu unternehmerischem Erfolg ist. In der Expertenberatung begibt sich der Kunde in die Hände eines „Besserwissers“, die Beziehung hat ein stärkeres Gefälle und verfestigt aus psychologischer Perspektive den Schüler- oder Anfängerstatus.

In der Beratung größerer Unternehmen löst man diesen Konflikt der Beratungsansätze, in dem man unterschiedlichen Beratungsanliegen auf verschiedene BeraterInnen verteilt.
Einzel- und Kleinstunternehmer wären mit einer Vielzahl von Beratern aber überfordert. Sie profitieren von Komplementärberatung, die Prozess- und Expertenberatung integriert. Das erfordert von beiden Seiten die Fähigkeit, Rollen und Rollenerwartungen immer wieder switchen zu können. Hilfreich ist es hier, am Beginn der Beratung die unterschiedlichen Beratungsansätze zu thematisieren und sich während des Prozesses immer wieder zu verständigen, welcher Ansatz und welche Rollenverteilung denn gerade passend sind für das anstehende Thema.
Dann bleibt das non-direktive Prinzip auch im Gründercoaching wirksam, ohne dass der Kunde auf gute Ratschläge verzichten muss.

*Literaturhinweis: Edgar Schein: Prozessberatung für die Organisation der Zukunft: Der Aufbau einer helfenden Beziehung. Edition humanistische Psychologie.

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Ulrike Rheinberger
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